Anregungen für das Gründen einer Bezugsgruppe

Ein Rezept für 5-16 Personen oder: „Gibt es einen Baukasten für Bezugsgruppen?“

In diesem Kapitel geht es um die Frage: „wie kannst Du/ könnt Ihr eine Gruppe finden?” Du kannst

Dich erstmal in Deinem Freundeskreis umhören, wer noch hinfahren möchte. Wenn Ihr von einander wisst, ist es gut, sich zu treffen und sich darüber auszutauschen. Ihr solltet klären, was euch bewegt, dorthin zu fahren und was ihr für Ideen habt und was jede_r von euch dort tun möchte, da ihr erstmal wissen müsst, ob das zusammenpasst. Wenn bei dem Treffen klar wird, dass Ihr ganz unterschiedliche Ideen habt, z.B. von „ich will da zur Demo“ bis „ich will da Camp-Struktur machen“- ist das nicht die beste Voraussetzung. Aber das bedeutet nicht unbedingt, dass das gar nicht funktionieren kann. Vielleicht kommt ihr doch zusammen und könnt ein Konzept entwickeln, in dem sich alle wiederfinden. Gut ist auch, sich die Frage zu stellen: Wieso will ich das und nicht jenes machen? Dabei kann sich evtl. der Blickwinkel ändern und mensch kann dadurch offen werden was anderes auszuprobieren. Vorweg gleich mal: es gibt „zum Glück“ nicht den einzigen Weg, wie eine Bezugsgruppe entsteht. Mensch kann schon sagen, dass viele Bezugsgruppen aus WG´s oder offenen Politzusammenhängen entstanden sind. Aber es können auch einfach Freundeskreise, Schüler_innen die sich kennen, Studis, die merken, dass sie ja eh immer auf die gleichen Demos rennen, oder oder oder sein.

sich vorbereiten

Wenn ihr zu dem Punkt gekommen seid „cool, das klingt doch ganz gut, lass es uns einfach versuchen“, ist es sinnvoll, sich regelmäßig zu treffen. Wie oft, ist natürlich eure Sache. Das kann von Sich-wöchentlich-treffen bis Sich-im-Vorfeld-zweimal-ein-langes-Wochenende-nehmen sein. Das ist auch davon abhängig, was ihr vorhabt und wie gut ihr euch kennt. Aber lieber etwas zu oft treffen, als dass es nachher dann heißt „Wir hatten gar keine Zeit das zu besprechen“…

Und so sind wir auch beim wichtigsten „Werkzeug“! Was so gesehen auch kein greifbares ist, nämlich reden und zuhören. Das klingt so schön banal, ist es auch, irgendwie. Die meisten Gruppen, die wir kennen, fangen ihre Treffen mit einer „wie geht es mir gerade/ Emorunde“ (Glossar) an, einfach eine kurze Runde zum Stand der persönlichen Dinge. Es muss nicht jede_r was sagen, aber es kann auch ein Ort während des Treffens sein, um sagen zu können, warum mensch gute oder schlechte Laune hat, was ihr/ ihm vom letzten Mal noch im Magen liegt oder was mensch gerne einfach allen mitteilen möchte. Danach kann mensch vielleicht besser verstehen, warum xy in der Diskussion schnell gereizt ist oder auch alles total leicht sieht, da eh alles gerade bei xx gut läuft.

miteinander reden – und wie?

Um mit dem Werkzeug „Reden und Zuhören“ gut umgehen zu können, braucht mensch meistens noch viel Übung. Klar hat jede_r eine Stimme und kann irgendwie zuhören, aber die einen können gut reden (manchmal auch ohne wirklich etwas zu sagen) und die anderen hören dass, was sie wollen. Das klingt ziemlich böse und wollen wir auch erstmal keiner/m unterstellen! Oft sind es soziale und gesellschaftliche Rollen, die wir so gelernt haben: in der Schule, als Kind, in der Beziehung zu Freund_innen oder auf der Arbeit. Aber es ist nicht „nicht veränderbar“, es ist Teil unserer Utopie, dass wir als Menschen innerhalb einer Gruppe wachsen und uns gegenseitig weiterbringen. Dafür muss mit den gesellschaftlichen Rollen auch umgegangen werden, das Thema heißt dann hier Redeverhalten. Es ist gut, sich darüber einmal Gedanken zu machen. „Wo fällt yx immer wem anders ins Wort/ wie bekommen wir das hin, dass alle was dazu sagen/ was steht dahinter, dass ich immer so lange rede oder xy immer sofort auf alles was sagen muss“. Das Thema ist sehr komplex und hat viele Seiten. Aber es ist gut, sich zumindest auf „Basics“ zu einigen wie: ausreden lassen und/oder bei kontroversen Diskussionen jede_n zu Wort kommen zu lassen. Auch stummes Kommentieren, z.B. immer nicken, wenn es einer passt, immer was in die Hand nehmen und lesen, wenn wer anders was sagt, sind Formen von dominieren und sich immer wieder den Raum nehmen und ihn damit den anderen wegnehmen.

ablauf der treffen

Wie ihr das/die Treffen gestaltet, ist ganz eure Sache. Ihr müsst einfach sehen, wie strukturiert Ihr es braucht. Ob es ohne Redeleitung oder Tagesordnung geht, hängt oft von der Gruppengröße ab und davon, was Ihr machen wollt – aber es ist gut, auch mal zu experimentieren. In Bezugsgruppen ist es unserer Meinung nach wichtig, im Konsens zu entscheiden, was nicht heißt, das immer alles bis ins letzte diskutiert werden muss und dass alle alles richtig finden. Innerhalb der Bezugsgruppe sollte ein Großteil beschlossen werden und die anderen sollten damit einverstanden sein. Falls wer sagt „das geht nicht“ und vom Vetorecht Gebrauch macht, muss das zu Gehör kommen und ein Umgang damit gefunden werden. Aber sich innerhalb einer Bezugsgruppe an Mehrheitsentscheidung zu orientieren, hat nichts mit gleichberechtigter Beteiligung zu tun. Zu Entscheidungsfindungsprozessen gibt es in dem Heft auch noch extra Tipps. Kleiner Nachtrag noch: oft wird in Bezugsgruppen über Männer- / Frauenquote geredet. Tja, was sollen wir dazu schreiben? Wie so oft haben wir keine Lösung, aber ein paar Fragen können wir aufwerfen: Was macht die Gruppe aus, wenn sie nur aus Männern oder Frauen besteht? Warum sollte dann eine Frau bei Männern mitmachen oder ein Mann bei einer Frauengruppe? Wenn es für alle okay ist, warum nicht. Aber trotz großer Ansprüche wissen wir, wie anstrengend und nervenaufreibend das für die jeweilige „Minderheit“ ist.

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