Archiv des Autors: bezugsgruppenreader

27. Glossar

Alkohol: A. hat auf Demonstrationen und bei Aktionen nichts zu suchen! Siehe auch Drogen.
Anwaltsvollmacht: Ihr könnt/solltet vor Aktionstagen oder Demos eine Vollmacht für eine*n Anwält*in unterschreiben und bei Freund*innen oder in eurer WG hinterlegen (unterschrieben, aber ohne Datum – auf der Rückseite Meldeadresse und Geburtsdatum notieren). Wenn ihr festgenommen werden solltet, kann diese ganz nützlich sein.
Barrio: Ein B. ist eine Art Bezirk auf einem Aktionscamp. Es gibt regionale B.s (Rhein-Main-B.) oder thematische oder nach Vorlieben „sortierte“: krasses Anarcho-B., Black-B., queeres B.
Buddys/Tandem: Kleinstmögliche Einheit einer Bezugsgruppe, die definitiv zusammen bleiben sollte.
EA oder Ermittlungsausschuss: Vertrauenswürdige und erfahrene Leute, die beispielsweise während einer Demo am Telefon sitzen, damit keine*r verloren geht. Leute, die festgenommen wurden, können/sollen den EA anrufen, damit dieser sich z.B. um Anwält*innen kümmern kann. (Meldet euch immer auch ab, wenn ihr wieder draußen seid!) Die Telefonnummer (EA-Nummer) wird vor der Demo/Aktion bekannt gegeben, an machen Orten ist sie immer die gleiche.
Deli: auch: Delegierten-Treffen, D.-Treffen. Eine oder zwei vertreten die Bezugsgruppe, um sich mit einem größeren Zusammenhang (Demo-Block, Aktionsgruppe, Camp) zu koordinieren und abzustimmen. Funktioniert nur, wenn in den Bezugsgruppen auch diskutiert wird.
Drogen: D. haben auf Demonstrationen und bei Aktionen nichts zu suchen! Siehe auch Alkohol.
Exif-Daten: Exchangeable Image File Format ist ein Standardformat für das Abspeichern von Metadaten in digitalen Bildern. Anhand dieser ist es möglich, mit den von der Kamera automatisch gespeicherten Metadaten unbeabsichtigte Details wie Datum, Uhrzeit, Standort etc. weiterzugeben oder zu veröffentlichen. Mit Hilfe geeigneter Programme lassen sich alle unerwünschten Exif-Daten vor der Weitergabe von Bilddateien entfernen. Das sollte vor der digitalen Veröffentlichung von Bildern unbedingt gemacht werden.
Flugi: Auch: Flugblatt, Flugschrift. Enthält die gerade aktuelle Analyse, immer wichtig und hochspannend.
Fotos/Filme: Auch wenn es häufig anders aussieht: Der Sinn einer Demonstration/Aktion ist nicht, dass wir uns alle gegenseitig filmen und/oder fotografieren. F./F. können Leute zudem in ganz reelle Gefahr bringen. Wenn ihr dennoch F./F. machen wollt, z.B. auf einem Camp, dann fragt die Leute, die ihr aufnehmt, vorher immer um Erlaubnis! (Nebenbei: Wenn ihr die Dokumentation von Protest und Widerstand spannend findet, ist euer Engagement in linken → Medienprojekten sicher nachhaltiger als die private Fotosammlung.) F./F. macht übrigens auch die Gegenseite, und nicht zu knapp. Manchmal helfen →Wechselklamotten.
Infoladen: Einen I. gibt es in vielen Städten/Regionen. Weniger ein Geschäft, sondern ein selbstverwalteter Ort, an dem du dich mit Informationen jeder Art eindecken kannst, also auch mit Zeitungen, Flugblättern, Büchern, aber auch mit Buskarten, T-Shirts etc.; siehe www.infoladen.net
Konsens: Gegenteil vom Dissens und das, was bei einer → Runde im besten Falle raus kommt: Alle sind mit dem, was geschrieben, der Weltöffentlichkeit verkündet, getan oder nicht getan wird, voll und ganz einverstanden. Alle.
Lauti: Lautsprecherwagen (im Bullen-Jargon: LauKW). Spielt Musik und Redebeiträge, ist immer wieder Ziel von Angriffen, deshalb gibt es eine oder zwei Reihen L.-Schutz – wenn nicht, könntet ihr ihn evtl. spontan übernehmen, fragt einfach am L. nach.
Gewalt: Die Frage, ob der Staat das Monopol „legitimer G.“ innehaben sollte, ist seit Jahr und Tag umstritten. Sicher ist, dass in der immer gern geführten „G.-Diskussion“ die strukturelle G. bspw. der Festung Europa oder des kapitalistischen Kommandos neben vorauseilenden Distanzierungen von „Riots“ und „Chaot*innen“ in der Regel irgendwie unter den Tisch fällt. Halten wir inne: Warum sind z.B. Abschiebungen oder prügelnde Bullen voll OK – keine G. –, entschlossene Aktionen gegen Abschiebungen oder verprügelte Bullen dagegen G., also überhaupt nicht OK? Vielleicht kann uns das ja mal wer erklären, wir verstehen es nicht.
Handys: auch: Mobiltelefone. Ganz praktisch, aber auch nicht ungefährlich. Das H. lässt sich von den Bullen orten und als mobile Abhöreinrichtung einsetzen, auch wenn es ausgeschaltet ist. Überlegt euch, wo ihr es wirklich braucht und wo es auf keinen Fall was zu suchen hat. Manchmal ist das gute alte Funkgerät ohnehin besser geeignet.
Heli: von Helikopter, Hubschrauber. Lästig. Machen z.B. auf einer Demo auch aus großer Höhe Portraitaufnahmen von dir. Manchmal sieht oder hört mensch den H., die Wärmebildtechnologie funktioniert aber auch aus extremer Höhe, also ohne dass du bspw. bei Wald- und Wiesenkämpfen (wie in und um Heiligendamm) automatisch was davon mitbekommst.
NUH: netter, unkomplizierter Haufen. Vielfach erprobtes Organisierungsprinzip der undogmatischen Linken, in Abgrenzung zu Partei, NGO und Organisation. Von letzteren als unverbindlich und „bündnisunfähig“ geschmäht, sorgen NUHs doch immer wieder für fetzige Aktionen.
Runde: „Lass uns ’ne R. machen…“ Eine R. ist der Kern einer, je nach dem, schnellen oder langsamen Entscheidungsfindung. Egal ob die Diskussion über euer Flugblatt oder darüber, wie ihr an der Bullenkette vorbeikommt, das Prinzip ist immer gleich: Jede_r kommt zu Wort. Abwandlungen: die Emo-R. („Wie geht es dir gerade?“) und die Daumen-R., wenn es schnell gehen muss. Ähnlich: Blitzlicht.
Sanis: auch: Demo-S., autonome Sanitäter*innen. Auf Demos kommt es immer wieder zu Verletzungen. Dabei ist den üblichen Rettungsdiensten/Krankenhäusern nur bedingt zu vertrauen, da sie oftmals mit Bullen und Justiz zusammenarbeiten. Unsere S. sind oft in ziviler Kleidung auf der Demo und können Verletzungen versorgen. Wenn ihr Hilfe braucht: Rufen! (Trotzdem solltet ihr auch selber nötige Medikamente, Wasser und Erste Hilfe-Zeug mitnehmen, schadet nie.)
Spitzel: Nicht zu verwechseln mit Genoss*innen und Mitstreiter*innen, die älter sind als 35 sind und/oder sich anders kleiden als „die Szene“. Also seid vorsichtig mit Verdächtigungen. S. werden von Verfassungs- und Staatsschutz eingesetzt, um politische Aktivitäten, die sich nicht unbedingt an der herrschenden Ordnung orientieren, auszuleuchten, zu verhindern und, ganz wichtig, juristisch zu verfolgen. Zum Teil sitzen sie „spontan“ in einem offenen Vorbereitungskreis, der eine Aktion plant, sie nehmen durchaus auch an Aktionen teil, andererseits begeben sie sich gezielt und über Jahre und Jahrzehnte in politische Gruppen. Kein Grund für Paranoia, aber überlegt euch, mit wem ihr welche Aktion macht.
t.i.n.a.: „There is no alternative.“ Neoliberale Leitmaxime, die die Möglichkeit leugnet, dass gesellschaftliche Verhältnisse gestaltbar sind. Nach dem t.-Prinzip muss sich jede Entscheidung dem kapitalistischen Markt und der Konkurrenz unterordnen. Merke: Das ist Unsinn.
Transpi: auch Transparent. ca. 3-6m langes Stück Stoff, bemalt mit politischen Forderungen, Parolen oder Rüttelreimen. Oft auch praktisch, um die eigene Gruppe wiederzufinden, als Sichtschutz und um zu verhindern, dass Bullen frech durch die Demo laufen. Manchmal durch dicke Seile oder auch Autoreifen verstärkt/gepolstert.
VoKü: Auch Volxküche, Bevölkerungsküche, Küfa = Küche für Alle; Leute, die kochen. Meistens ist aber Hilfe gerne gesehen. Essen gibt es gegen Spende.
Wechselklamotten: W. sind immer sinnvoll, falls deine Sachen vom Wasserwerfer nass sind oder durch Pfefferspray bzw. Farbmarkierungen der Bullen verseucht/verunstaltet. W. oder die zweite Schicht Klamotten am Körper eignen sich auch hervorragend, um gegebenenfalls das eigene Aussehen etwas abzuwandeln, falls die Situation das verlangt.
Zivi: auch: Z.-Bulle, Zivfte, Zifte. Polizeikräfte in ziviler, d.h. mehr oder weniger unauffälliger Straßenbekleidung. Mittlerweile z.T. wirklich authentisch. d.h. schwer zu erkennen. Mischen sich unter Demonstrant*innen, verfolgen z.T. gezielt und hartnäckig einzelne „Verdächtige“. Hier helfen vor allem Gruppen, die sich untereinander kennen, manchmal auch → Wechselklamotten.

25. Technisches

Der folgende Text bezieht sich auf Aktionen, die zu jeder Tages- und Jahreszeit und im ländlichen Raum stattfinden.

ES GIBT AUCH SCHLECHTES WETTER

In der Stadt kannst du dich, wenn du dann doch mal nicht so stark auf angemessene Kleidung geachtet hast, schnell ins Autonome Zentrum, die nächste befreundete WG oder einfach in ein Café flüchten.

Schon in einer fremden Stadt wird dies komplizierter und erst recht auf dem Land, wenn gar keine Bebauung vorhanden ist. Für den Fall, dass der Aktionstag länger dauert, solltest du dir im Vorfeld Gedanken um deine Klamotten machen.

Zum einen sind dabei die Temperaturen und das Wetter ein wichtiges Auswahlkriterium, zum anderen ist die Unauffälligkeit auf dem Hinweg (Stadt, Land, Fluss), auf der Aktion und auch auf dem Weg von der Aktion weg zu bedenken.

Je länger der Tag wird, desto vielseitiger werden die Anforderungen und auch die körperlichen Aktivitäten – schnelles Gehen, Rumstehen beim Plenum, Rennen etc. wechseln sich ab. Dementsprechend wechselt das Wärme- und Kältegefühl. Die Klamotten sollten möglichst in allen Situationen angemessen sein. Wetterbericht anschauen hilft.

Das „Zwiebelprinzip“
Um bei Outdoor- Aktivitäten, aber auch allen anderen Aktivitäten im Freien, richtig angezogen zu sein, solltest du dich am Besten nach dem Zwiebelprinzip kleiden. Das heißt mehrere dünne Lagen Kleidung übereinander tragen.

Kopf, Hände und Füße schützen
Der Kopf ist ein besonders empfindliches Körperteil, auch, wenn es um Hitze oder Kälte geht. Trotzdem wird er bei der Zusammenstellung der Ausrüstung gerne vernachlässigt. Wenn es kalt ist, kann es für den Kopf schnell unangenehm werden. Auch bei Hitze oder hoher Sonneneinstrahlung ist der Kopf besonders gefährdet. Hier merkst du, besonders bei viel Sonne in ansonsten kühler oder windiger Umgebung, die Schäden oft erst, wenn es zu spät ist. Ein Hitzeschlag oder Sonnenstich kann lebensgefährlich sein.

Ein weiteres Problem können nasse Füße sein, gerade wenn es regnet und du über längere Zeit im Freien bist. Deshalb sind feste, wasserdichte Schuhe zu empfehlen. Vielleicht diese auch mal nachfetten. Die meiste Wärme verliert ihr durch kalte Hände und Füße.

Darüber hinaus müssen die Schuhe passen. Nehmt keine Schuhe, in denen ihr noch nie längere Zeit/Strecken gelaufen seid, sonst gibt es leicht Blasen. Feste Schuhe, möglichst Knöchelhoch, sorgen für Halt beim Gehen im Wald, beim Sprint, etc. Ein ausgeprägtes Profil schützt vorm Ausrutschen, Sicherheitskappen vor platt getretenen Zehen, doch entziehen Stahlkappen im Winter den Füßen viel Wärme. Z.T. gehen die Bullen auch soweit, dass sie Stahlkappen als „passive Bewaffnung“ auslegen und deshalb Leute festnehmen, daher sind Schuhe ratsam, bei denen Stahlkappen nicht auf den ersten Augenschein erkannt werden.

Um passende Kleidung wird gebeten
Ein Vorteil von Zwiebelschichten ist auch, dass du dein äußeres Erscheinungsbild schnell verändern kannst. Fast immer wird von Bullen gefilmt. Schon kleinste Details an der Kleidung wie Buttons, Logos etc. werden womöglich als Beweismittel zur Identitätsfeststellung herangezogen. Wenn ihr euch für eine einheitliche Kleidung entscheidet (z.B. schwarz bei Autonomen, weiß bei Ende Gelände), kann der*die Einzelne in der Masse besser untergehen. Der dezente(!) Wechsel des Outfits nach erfolgreichem Abschluss des Vorhabens kann den Heimweg deutlich entspannter gestalten, da ihr nicht sofort erkennbar seid.

Essen und Trinken
Energie ist eine wichtige Sache bei körperlichen Aktivitäten und wird gerne vergessen. Schwierig ist es manchmal an welche heranzukommen – also denkt vorher daran und nehmt einfache Sachen wie Müsliriegel, Schokolade und ausreichend Wasser mit.

26. Technik und Technix bei selbstorganisierten Aktionen auf dem Land

1. Die Landkarte
Am Besten sind topographische Karten. Auf ihnen sind Straßen, Häuser, Flüsse, Fußballfelder und Wälder durch Symbole dargestellt. Dadurch sind sie viel übersichtlicher zu lesen als ein Kartenausschnitt auf eurem Telefon. Neben der Karte sind in einer Legende die Symbole mit Erklärungen aufgeführt. Dort findet ihr auch Angaben über die Höhen- und Tiefenlinien. Sie stellen auf der Karte Berge und Täler dar, nach denen ihr euch, mit etwas Übung, in der Landschaft orientieren könnt. Ein Abrufen von Kartendaten vor Ort aus dem Internet mit dem Telefon würde bedeuten, das du davon ausgehen kannst von den Bullen als Teilnehmer*in an der Aktion registriert zu werden.

2. Kartenlesen
Mach dich vor einer Aktion auf dem Land mit deinem Kartenmaterial vertraut. Dort erst Karten lesen zu lernen, ist höchstwahrscheinlich frustrierend. Hier dafür ein paar Hinweise:

Um nach einer Karte laufen zu können müsst ihr wissen, wo ihr euch auf ihr befindet. Die Orientierungsfähigkeit ist von Punkten abhängig die so markant sind, dass ihr sie auf der Karte leicht identifizieren könnt.

Was auch zur besseren Orientierung beiträgt, ist das Einnorden der Karte. Das bedeutet, dass der Norden der Karte mit dem Norden in der Landschaft in Deckung gebracht wird (mithilfe eines Kompasses relativ einfach). Auf der Karte ist verzeichnet, wo Norden ist – meistens oben! Die in der Karte dargestellten Objekte und Geländeformationen liegen dann in der gleichen Richtung, wie ihr sie in Natura seht. Ihr könnt euch an vielen Dingen in der Landschaft orientieren, um euch einzunorden:

a) Sonnenstand
Für die BRD gilt etwa:
– 6:30 Uhr im Osten,
– 12:30 Uhr im Süden,
– 18:30 Uhr im Westen

b) Alte Kirchen
Das Kirchenschiff weist nach Osten (nach Moskau).

c) Der Kompass
Hinweis: Die Kompassnadel wird durch metallische Objekte in der direkten Nähe abgelenkt. Dies kann z.B. im Auto ein Problem sein.

d) Lichthinweise
Wer nachts im Dunkeln unterwegs ist, sollte möglichst eine Taschenlampe dabei haben – klar. Gut wäre es aber, wenn diese nicht weißes, sondern nur rotes Licht ausstrahlt, wie eine Fahrradrücklampe. Rotlicht blendet das ans Dunkel angepasste Auge fast nicht, im Gegensatz zu weißem Licht.

Beim Karten lesen mit Rotlicht ist zu beachten, dass die unterschiedlichen Linienfarben nur sehr schwer zu unterscheiden sind.

Es hat sich nachts im Wald bewährt, sich mit seiner Bezugsgruppe an den Händen zu fassen. So geht keine*r der Gruppe verloren, wenn mensch nichts mehr sieht.

Funktionsweisen technischer Hilfsmittel im Dunkeln
Nachtsichtgeräte sollen die visuelle Wahrnehmung in Dunkelheit oder Dämmerlicht verbessern oder ermöglichen überhaupt erst eine Bilderkennung. Restlichtverstärker und Wärmebildkameras sind im Gegensatz zum Einsatz von Infrarotscheinwerfern passive Systeme, deren Einsatz also nicht von anderen wahrgenommen werden kann, da sie nur Licht empfangen.

Soweit hierzu. Technische Details sprengen den Rahmen dieses Readers. Wenn ihr Interesse habt, empfehlen wir den Gang zum Infoladen oder den gut sortierten Buchladen eures Vertrauens.

Sehen und Gesehen werden
Für manche Aktionsformen möchte mensch vor und nach Aktionen nicht so gerne gesehen werden. Achtet auf situationsangepasste Kleidung und auf euer Bewegungsschema. Leuchtende Farben werden eigentlich überall stark wahrgenommen, aber manchmal sticht ein schwarzer Kapuzi auch besonders heraus. Nachts lassen glatte Oberflächen Konturen klarer erkennen und reflektieren mitunter auch besser das Restlicht. Achtet bei Regenklamotten etc. auch auf die Reflektorstreifen. Wenn andere Personen (z.B. Bullen) in der Nähe vermutet werden, sollten Wege und Straßen bei Kurven, in Senken oder unter Brücken gekreuzt werden.

Für Feld, Wald und Wiese gilt: Hügelkämme, freie Flächen oder breiten Straßen besser vermeiden, da sich Silhouetten vorm helleren Himmel/Hintergrund abheben. Pausen und Besprechungen besser an Orten, die nach allen Seiten (auch nach oben!) sichtgeschützt sind. Aufrechtes Laufen ist zwar bequemer und schneller, aber die Deckung des Unterholzes fehlt. An sich werden schnelle Bewegungen eher wahrgenommen, als langsame oder gar keine.

Es kann auch sinnvoll sein ein kleines Fernglas dabei zu haben, um auch die weitere Entfernung einsehen zu können.

Anders als in Städten sind auf dem Land kaum Hintergrundgeräusche zu hören. Das bedeutet, dass viele Geräusche sehr weit gehört werden können. Weitere Anwesende können so lokalisiert werden, es sei denn sie achten auf ihre eigenen Bewegungsgeräusche.

Besonders brechende Zweige und Äste, aber auch Geraschel von losem Laub, das Laufen auf Schotter oder gar eine angeregte Unterhaltung verursacht weithin hörbare charakteristische Geräusche. Wenn mensch die Gegend kennt, kann mensch schon anhand solcher Geräusche den Ort und die Anzahl von Personen bestimmen. Ganz ohne Geräusche wird es natürlich nicht gehen. Deshalb überlegt euch, wo es wichtig sein könnte, leiser zu sein und wo ziemlich sicher niemand zuhört.

Außerdem können auch andere Geräusche wie von Hubschraubern oder vorbeifahrenden Fahrzeugen zum Übertönen der eigenen Bewegungsgeräusche genutzt werden. Aufgeschreckte Tiere können ein Hinweis auf andere Personen sein – oder auf die eigenen. Gerade in weichen Böden sind Fußabdrücke, Reifenprofile und andere Spuren gut sichtbar. Mit etwas Übung lässt sich auch das Alter einordnen. Mitunter führen solche Spuren andere direkt zu euch. Schuhsohlen- und Reifenprofile lassen sich wegen der unterschiedlichen Abdrücke gut wiedererkennen. Achtet also auch auf den Untergrund.

Hin und weg!
Bei den meisten Aktionsgruppen wird sich über das Hinkommen zum Aktionsort noch einigermaßen Gedanken gemacht. Bei einigen Aktionsformen, z.B. einer Sitzblockade reicht das auch erstmal. Bei vielen Aktionen will mensch aber nicht am Aktionsort bleiben, sondern wieder verschwinden – möglichst ohne Polizeikontrolle. Macht euch also frühzeitig Gedanken über den Nachhauseweg, so dass alle gut weg kommen. Wenn die Aktion eine erhöhte Aufmerksamkeit der Bullen auf sich zieht, dann kann die Planung des Rückwegs deutlich aufwendiger als der Hinweg sein. Wichtig ist bei allen Aktionen auch der richtige Zeitpunkt des Rückweges. Bei vielen Großaktionen greifen sich die Bullen nach dem Ende der Aktion willkürlich Leute raus, um ihre Gefangenenquote zu erfüllen. Deshalb sollte sich zur rechten Zeit geschlossen zurückgezogen werden.

Fahrzeuge sollten sinnvollerweise nicht so abgestellt werden, dass sie sofort gesehen oder mit der Aktion in Zusammenhang gebracht werden. Auch sollten die (parkenden) Fahrzeuge nicht schon von einem Streifenwagen blockiert werden können, der dann seelenruhig auf Verstärkung wartet. Andererseits sind dann manchmal sehr weite Strecken zu Fuß zurückzulegen, was sehr viel Zeit braucht. Manchmal kann es deshalb sinnvoll sein, dass ein Fahrzeug eine Gruppe nur absetzt oder einsammelt, während der Aktion aber nicht in der Nähe ist. Grade das Einsammeln von Leuten erfordert sehr genaue Absprachen, besonders Nachts. Nachts sind auch Scheinwerfer und Bremsleuchten weit zu sehen.

Letztendlich ist eine Aktion erst vorbei, wenn alle von euch (und alle anderen) wieder wohlbehalten zu Hause sind.

24. Antisexistische Awareness

An dieser Stelle geht es um Sexismus, aber in unserer Gesellschaft sind noch viel mehr Unterdrückungsmechanismen und Dominanzstrukturen wirksam, die auch in Bezugsgruppen wirksam sind. Du bist nicht weiß? Dein Geschlecht ist nicht eindeutig erkennbar? Du hast keinen akademischen Hintergrund? Du bist „zu jung“ oder „zu alt“? Die christlichen Feiertage sind dir fremd? Du hast gesundheitliche oder körperliche Einschränkungen? Dann kennst du wahrscheinlich Ausgrenzung, Gefühle wie Ohnmacht oder fehlende Handlungsmöglichkeiten. Awareness meint Achtsamkeit gegenüber jeglicher Diskriminierung. Wer Gefühle wie Ohnmacht, Scham, Schweigen o.ä. kennt, weiß wie verletzend und zerstörerisch Unterdrückungsmechanismen wirken. Lasst uns gemeinsam und solidarisch gegen jede Ausgrenzung kämpfen und lasst uns aneinander wachsen.
Im folgenden Text geht es um Sexismus als Ausgrenzungsstruktur.

Antisexistische Awareness
Wenn wir uns in Kleingruppen organisieren oder auch bei größeren Aktionen oder Netzwerken mitmachen, spielt Sexismus im Umgang miteinander immer mal wieder eine Rolle. Wie damit umgehen? Was können wir tun, um Sexismus abzubauen? Hier ein paar Ideen und Tipps dazu, die keinen Anspruch auf Vollständigkeit haben. Anregungen, Kritik, Ideen dazu immer gerne willkommen in einem Medium eurer Wahl
→ siehe Gegenöffentlichkeit.

Geschlechterverhältnisse
Pronomen, Gender:
Es gibt nicht nur Männer* und Frauen*, das ist mittlerweile bekannt und jetzt sogar Gesetz. Personen identifizieren sich geschlechtlich unterschiedlich. Ihr könnt in eurer Kleingruppe darüber sprechen, wie ihr euch selbst verortet, ob ihr euch z.B. als trans, weiblich* männlich* oder genderfluid versteht. In größeren Gruppen mit Menschen, die ihr noch nicht kennt, könnt ihr z.B. Namens- und Pronomen-Runden machen. Dann wissen alle, ob die andere Person z.B. lieber mit sie oder ohne Pronomen oder ersie benannt werden möchte.

Geschlechterrollen:
Obwohl die Frauen*Lesben-Bewegung und die Emanzipation viel geschafft hat, wirken normative Geschlechterrollen fort. Frauen* werden eher als schwach angesehen, emotional, zart, anlehnungsbedürftig. Männer* eher als rational, kopflastig, nicht empathisch, bisweilen aggressiv, während Transgender und Queers, wie das Wort queer sagt, trotz stärkerer Anerkennung nach wie vor als schräg oder verrückt gelten. Was können wir tun, um uns gegenseitig anders wahrzunehmen? Um mehr Vielfalt zu leben und zu sehen? Wir können uns in unseren Kleingruppen dazu austauschen: Wie geht es uns damit, was stört uns, was wünschen wir uns? Wir können intervenieren, wenn dumme Sprüche kommen. Wenn z.B. zu einer Transperson gesagt wird: „Sei nicht so übersensibel.“ Oder zu einer Frau* gesagt wird: „Lach doch mal.“ Oder zu einem Mann*: „Jetzt sei nicht so zimperlich, stell dich nicht so an.“ Wir können es ansprechen, wenn wir denken, Gendernormen werden verfestigt.

Geschlechtliche Arbeitsteilung:
Frauen* putzen, kaufen ein, kochen, machen Tee, schreiben Protokoll und sind für das Emotionale zuständig, dass es allen in der Gruppe gut geht, sprechen nach dem Gruppentreffen nochmal einzelne an, um sie sozial zu integrieren? Männer* schreiben die schlauen Texte, halten Redebeiträge, sitzen auf dem Podium bei der Veranstaltung, machen die gefährlichen Aktionen und halten Nachtwache beim Politcamp? Diese normative Arbeitsteilung gilt es immer wieder bewusst zu durchbrechen, sonst schleicht sie sich oft wieder ein. Oder wir entwickeln Methoden, um ihr zu begegnen, z.B. indem wir die Reproduktionsarbeit geschlechtermäßig quotieren, so dass sie genauso viel von Männern* erledigt wird. Und das Protokollschreiben rotiert, so dass alle mal dran sind. Ermutigt Personen Aufgaben zu übernehmen, die sie sich erstmal nicht unbedingt zutrauen, wie auf einem Podium zu sitzen. Aufgaben können auch mit der Zeit gelernt werden. Wenn ihr zu zweit auf dem Podium sitzt, dann muss eine Person keine Angst haben, dass ihr plötzlich nichts mehr einfällt.

Kinderbetreuung:
Dass Kinder auch Teil unseres Lebens sind, wird in politischen Zusammenhängen oft vergessen. Wer passt auf die Kinder auf, wenn sich abends die Bezugsgruppe trifft? Gibt es die Möglichkeit in der Gruppe hier zu rotieren und auch Personen, die keine Kinder haben, passen mal abends auf? Und bei Demos: gibt es die Möglichkeit für einen Block mit Kindern, beim Politcamp einen Kinderspace, wo auch ein nettes Angebot stattfindet und der nicht hauptsächlich von Frauen*Trans organisiert und betreut wird?

Macker-Verhalten:
Emotionale Bedürfnisse abtun, cool tun, Anliegen lächerlich machen, Dominanz ausüben, sei es zu bestimmen, wie es läuft, was wichtig ist, wie der Umgang miteinander ist. Dazu gehört auch einen Raum zu schaffen, in dem andere sich nicht trauen, etwas zu sagen, stumm werden, bestimmte Themen nicht ansprechen oder generell dass Themen wie Sexismus und Geschlechterverhältnisse abgewertet werden. Aber auch raumeinnehmendes Verhalten, wie breitbeinig auf dem Sofa sitzen und andere an den Rand drängen, lautes raumeinnehmendes Sprechen oder Lachen, so dass andere still werden, sich groß aufbauen und vor z.B. kleineren Personen hinstellen, so dass diesen der Raum genommen wird. Raumeinnehmendes Gestikulieren oder anderen Nahekommen oder Naherücken, so dass diese sich bedrängt fühlen.

Erklär-Bär:
Eine Form des Macker*-Verhaltens ist auch der Erklär-Bär. Es gibt viele männliche*, sympathische, „softe“ Erklär-Bären, die gar nicht so unangenehm auffallen und eigentlich sehr nett sind. Doch die Frage ist auch, wer setzt die Themen bzw. wählt das Thema aus?

Körperlichkeit. Sex. Konsens:
Welche Körperlichkeit habt ihr in der Gruppe? Nehmt ihr euch zu Begrüßung und zum Abschied in den Arm? Lehnt ihr euch während der Gruppentreffen an oder kuschelt ihr euch an? Für manche ist es schön, sich körperlich nahe zu sein, gerade auch in einer vertrauten Gruppe, gerade weil in der Gesellschaft sonst vieles so steif und körperfeindlich ist. Gut ist es, darüber zu sprechen, was ihr euch wünscht, ob ihr es schön fändet in der Gruppe körperlich vertrauter miteinander umzugehen und wo eure Grenzen sind. Was ihr nicht wollt, was euch zu viel ist. Wenn ihr eine Person in den Arm nehmt, heißt das ja auch nicht, dass ihr alle Personen zur Begrüßung in den Arm nehmen müsst. Konsens als Konzept ist hier ein wichtiger Stichpunkt, also drüber sprechen und nachfragen. Aus den nonverbalen Gesten kannst du nicht mit Sicherheit wissen, was eine Person will oder nicht will. Noch wichtiger ist selbstverständlich, ein „Nein“ zu beachten und zu respektieren und nicht zu übergehen. Das gilt besonders für Sex, darüber sprechen, was ihr wollt und was ihr nicht wollt und nachfragen. Hier haben Personen (Männer*), die im Geschlechterverhältnis privilegiert sind, noch mal eine größere Verantwortung darauf zu achten, dass Konsens praktiziert wird.

Grenzüberschreitungen, sexualisierte Gewalt:
Das ist leider kein Einzelfall, auch in unseren Gruppen und Zusammenhängen kommen Grenzüberschreitungen und sexualisierte Gewalt vor. Was ist in so einem Fall wichtig? Die betroffene Person unterstützen, da sein, fragen, was die betroffene Person jetzt braucht, damit es ihr* wieder besser geht. Eventuell einen ruhigen Ort suchen, einen „sicheren“ Ort, um evtl. zur Ruhe zu kommen, was essen, Tee trinken. Vielleicht vertraute Personen holen oder anrufen (Freund*innen). Sich gemeinsam überlegen was es jetzt braucht, was der nächste Schritt sein kann, dabei stehen die Bedürfnisse und Interessen der betroffenen Person im Zentrum. Braucht sie* eine medizinische Versorgung, eine anonyme Spurensicherung (weil die betroffene Person evtl. später eine Anzeige machen möchte), will sie* nach Hause gebracht werden oder benötigt sie* einen Schutzraum, wo sichergestellt ist, dass es keine Begegnung mit der gewaltausübenden Person gibt? Oder geht es darum, die gewaltausübende Person und/oder deren Bezugsgruppe anzusprechen, etwas zu klären oder zu intervenieren? Wenn ihr euch als Gruppe mit der Situation überfordert fühlt, könnt ihr versuchen erfahrenere Personen dazu zu holen, um Rat zu fragen oder bei einem Krisentelefon anzurufen und zu fragen, was ihr tun sollt oder zu einer Out of Action- oder Awareness-Gruppe zu gehen, falls es sowas in eurer Nähe gibt (→ siehe Out of Action).

Nackt-Sein:
Nach wie vor leben wir in einem hierarchischen Geschlechterverhältnis, das durch Heteronormativität und Sexismus geprägt ist. In diesem Verhältnis ist es nicht allen Personen möglich, sich z.B. nackt oder oberkörperfrei zu bewegen, ohne von anderen sexualisiert und gemustert zu werden. Deswegen achtet insbesondere als privilegierte Person (Mann*) darauf, wann ihr euch wie zeigt. Wenn ihr z.B. als Kleingruppe irgendwo zusammen übernachtet, kann es sein, dass es Menschen lieber ist, wenn Männer* nicht in Unterhose rumlaufen oder bei Politcamps kann es sein, dass der Wunsch besteht, dass Männer* nicht oberkörperfrei rumlaufen. Wenn ihr als Gruppe an den Badesee geht, dann sprecht vorher darüber, ob es für alle ok ist, nackt baden zu gehen. Es ist eine Frage der Solidarität, Personen, denen es in unserer Gesellschaft strukturell noch nicht möglich ist sich nackt zu bewegen, wenn sie das wollen, nicht vor den Kopf zu stoßen.

Ich mach doch nur Spaß:
Wer lacht und über wen wird gelacht? Wer kann sich Raum nehmen und sprechen oder gar Sprüche klopfen und Witze reißen? Wer hat diesen Raum nicht oder wird eher in die Defensive gedrängt? Ein Raum, in dem manche sich wohlfühlen, kann zugleich für andere ein einschränkender Raum sein. Mit dem Spruch: „Ich mach doch nur Spaß“ werden z.T. Diskriminierungen runtergespielt. Doch wenn eine Person diskriminiert oder verletzt wird, dann ist das kein Spaß.

Privilegien reflektieren:
Wenn du im Geschlechterverhältnis privilegiert bist, dann wäre es gut, wenn du dir deine Privilegien bewusst machst und überlegst, wie du mit ihnen umgehst, insbesondere um andere Personen nicht zu verletzen oder einzuschränken. Oft sind wir uns gar nicht unserer eigenen Macht bewusst und sehen nicht, wie selbstverständlich wir auf Vorteile zurückgreifen und wie selbstverständlich wir auf Umgangsweisen setzen, die uns angenehm sind und die uns Vorteile verschaffen. Das kann sowohl als Mann* gegenüber Transgender und Frauen* sein, als auch als heterosexuelle Person gegenüber Queers oder homosexuellen Personen. Dafür ist es auch vorteilhaft Texte zu lesen, Workshops zu besuchen und sich mit anderen auszutauschen, insbesondere mit Personen, von denen ihr lernen könnt.

Verbündete sein, Empowerment – und Selbsthilfegruppen:
Als in einem Herrschaftsverhältnis privilegierte Person (z.B. als Mann* oder weiße Frau*) könnt ihr versuchen Verbündete zu sein für nicht-privilegierte oder marginalisierte Personen. Das kann beinhalten, dass ihr eure Privilegien reflektiert, dass ihr offen seid für Kritik, dass ihr darauf achtet, dass Nicht-Privilegierte Raum bekommen, dass ihre Stimme gehört wird oder dass ihr euch aktiv gegen Diskriminierung einsetzt. Als Nicht-Privilegierte oder Marginalisierte (z.B. Women of Color, Transgender oder Frauen*) könnt ihr euch auch immer mal in Kleingruppen treffen, um euch darüber auszutauschen, wie es euch in eurer Bezugsgruppe geht, wie ihr Diskriminierungen wahrnehmt, was ihr euch von Verbündeten wünscht. Ihr könnt auch Empowerment- oder Selbsthilfegruppen gründen oder besuchen, Workshops geben oder mitmachen, um euch gegenseitig Tipps zu geben und euch zu stärken und Diskriminierung politisch entgegen zu treten.

So, das waren ein paar Anregungen. Viel Spaß beim Austausch und Politmachen!

Zum Weiterlesen:
Antisexistisches Kollektiv, ask gerd_a Berlin, Unterstützung Betroffener von sexualisierter Gewalt: www.askgerda.blogsport.de
Transformative Justice Collective Berlin: www.transformativejustice.eu
Antisexistische Awareness – Ein Handbuch, Ann Wiesental, 2017, UNRAST
Antisexismus_reloaded – Zum Umgang mit sexualisierter Gewalt – ein Handbuch für die antisexistische Praxis, re.ACTion, 2007, UNRAST
Zine: learning good consent: https://konsenslemen.noblogs.org/

23. Out of Action – Emotional Support

Worum geht es?
Wer gegen bestehende Herrschaftsverhältnisse Widerstand leistet, ist mit Repression konfrontiert: Von körperlich und psychisch gewalttätigem Vorgehen der Polizei bis juristischer Kriminalisierung, Überwachung oder Freiheitsentzug. Das hat Auswirkungen auf uns Aktivist*innen. Neben leichter greifbaren Folgen wie einer blutigen Nase oder finanzieller Last gehören auch emotionaler Stress und psychische Belastungen bis hin zum Trauma dazu. Auch das ist Ziel von Repression und Gewalt. Menschen sollen langfristig eingeschüchtert und ihnen ein Gefühl der Ohnmacht vermittelt werden. Von solchen präventiven Einschüchterungsmaßnahmen sind häufig besonders jüngere Aktivist*innen betroffen.

Wir brauchen einen solidarischen Umgang mit den unterschiedlichen Reaktionen und psychischen Folgen von Repression, der auf die jeweiligen Bedürfnisse der Betroffenen eingeht. Ein offener Umgang mit Emotionen, wie Ängsten oder Überforderungsgefühlen, verhindert den Ausstieg oder Rückzug von Betroffenen und arbeitet aktiv gegen eine Kultur von Härte und Leistungsdenken.

Die Emotionale Erste Hilfe-Gruppe Out of Action kämpft gegen diese Effekte von Gewalt und Repression und für einen offenen, solidarischen Umgang miteinander. Wir möchten Informationen zum Thema zugänglich machen und bei der Bewältigung schwieriger Situationen unterstützen.

Nicht jede Gewalterfahrung (selbst erlebte oder mit angesehene) führt zu einer längerfristigen Belastung oder gar einem Trauma. Reaktionen sind sehr unterschiedlich und hängen von verschiedenen Faktoren ab. Gute Unterstützung aus dem Umfeld / der Bezugsgruppe ist definitiv extrem wichtig, um schwierige Situationen gut zu verarbeiten. Folgen von Repression, auch die emotionalen, sind keine Privatsache. Sie gehen uns alle an und gemeinsam können wir ihnen etwas entgegensetzen.

Im Folgenden geben wir einen kurzen Überblick, wie Reaktionen auf belastende Situationen aussehen können, was ihr als Gruppe, für Freund*innen oder/und für euch selbst tun könnt. Adressen von Out of Action-Gruppen bundesweit, wie und wo ihr uns erreichen könnt, stehen am Ende des Textes.

Mögliche Reaktionen nach einem Trauma
Die hier genannten Reaktionen können in beliebiger Reihenfolge, nach- oder nebeneinander oder gleichzeitig auftreten. Nicht immer treten alle oder viele der Reaktionen auf, es können auch einzelne als starke Belastung empfunden werden.

 

 

Wiedererleben des Erlebten

  • Nicht in der Lage sein, aufreibende Bilder und Erinnerungen beiseite zu legen; Flashbacks (das Gefühl, wieder in der erlebten Situation zu sein); Albträume
  • Vermeidungs-/Verdrängungsverhalten
    Erhöhter Alkohol/Drogenkonsum; sich zurückziehen und isolieren; soziale Aktivitäten reduzieren; Erinnerungsverlust; Vermeidung von allem, was mit dem Erlebten zu tun hat oder einen daran erinnert; Aufbau einer Distanz zu dem Geschehenen; Veränderung von Ess- und Schlaf- sowie von sexuellen Gewohnheiten
  • Übererregbarkeit
    Schlaflosigkeit; Unruhe; Gefühls- und Wutausbrüche; Konzentrationsschwierigkeiten;
    Schreckhaftigkeit; Reizbarkeit; Ärger; unkontrolliertes Weinen; Magenschmerzen;
    Übelkeit; Muskelspannung; Furcht; Ängstlichkeit; übertriebene Wachsamkeit
  • Möglich sind auch
    – Panikattacken; Schuldgefühle; Scham; Selbstbeschuldigung
    – Keine Freude am Leben haben; sich allein/verlassen, taub oder abgeschaltet fühlen; Unfähigkeit Entscheidungen zu treffen
    – Das Infragestellen von politischem Engagement und zwischenmenschlichen Beziehungen
    – Gefühl, dass das Leben keinen Wert/Sinn mehr hat
    – Hochkommen von Erinnerungen an vorhergehende Traumata; nicht daran glauben, dass diese Phase jemals vorbei gehen wird; keine Pläne für die Zukunft machen

Manchmal tauchen die Reaktionen auch erst viel später auf (Wochen oder sogar Jahre nach dem Ereignis). Durch unser Verhalten können wir uns und andere bei der Verarbeitung von solchen Erfahrungen unterstützen. Ein Ziel ist dabei, die belastende Situation in das Leben der Betroffenen zu integrieren – denn sie kann die Person verändern und nicht ungeschehen gemacht werden. Menschen reagieren jedoch sehr unterschiedlich auf ein belastendes Erlebnis.

Was ihr als Gruppe tun könnt

  • Redet VOR einer Aktion darüber, wie gut oder schlecht ihr euch gerade fühlt und wo eure Grenzen sind. Werdet euch darüber einig, von wem ihr in unvorhergesehenen Situationen Unterstützung erwartet – auch wenn ihr plötzlich „raus“ wollt und einen Menschen braucht, der bei euch bleibt. Bildet Bezugsgruppen und passt aufeinander auf!
  • Nehmt euch Zeit, um nach einer Aktion darüber zu reden, was passiert ist. Gebt allen, die von euch dabei waren und darüber reden möchten, Raum, um zu erzählen, wo sie waren, was sie gemacht, gesehen, gehört und was sie dabei gefühlt/gedacht haben. So kann mensch die Geschichte vervollständigen und besser verstehen.
  • Nicht nur verletzte Menschen brauchen Unterstützung, auch Unterstützer*innen sollten auf ihre Bedürfnisse und Grenzen achten und entlastet werden.

 

Wie du deine Freund*innen unterstützen kannst

  • Vielleicht fühlst du dich unsicher und weißt nicht, wie du dich verhalten sollst. Einfach „normal“ sein, ohne zu bemitleiden und ohne aufdringlich zu sein, kann viel helfen. Bemüh dich gleichzeitig den Reaktionen gegenüber tolerant zu sein. Wichtig ist auch, dass dein*e Freund*in sich in deiner Gegenwart wohl und sicher fühlt.
  • Vergiss nicht, dass Menschen nach belastenden Erlebnissen anfangs oft „ok“ erscheinen und die Reaktionen erst später auftreten können.
  • Versuch ein*e gute*r Zuhörer*in zu sein. Das heißt auch: kein Bohren oder die Person zum Reden drängen, Zurückhaltung mit gut gemeinten Ratschlägen.
  • Manche brauchen Unterstützung im Alltag mit kleinen Dingen. Kochen, Abnehmen von Verantwortlichkeiten etc. können sehr hilfreich sein, aber achte darauf ihre*seine Selbstbestimmung nicht einzuschränken.
  • Versuche es nicht persönlich zu nehmen, wenn dein*e Freund*in gereizt reagiert oder unnahbar erscheint und mach deine Unterstützung nicht davon abhängig. Dies sind Reaktionen, die oft nach einer belastenden Situation vorkommen können.
  • Versuche geduldig zu sein. Zu sagen „Jetzt müsstest du aber langsam mal darüber hinweg sein, nimm dein Leben in die Hand“, erreicht meistens nur, dass Menschen sich unverstanden fühlen und auf Distanz gehen.
  • Auch für dich kann diese Zeit sehr schwer sein. Pass auf dich auf und sei gut zu dir. Rede mit anderen darüber, wie es DIR geht.

Was du für dich selbst tun kannst

  • Sag dir: Deine Reaktionen sind normal und es gibt Unterstützung! Nimm dir Zeit, sei geduldig mit dir und verurteile dich nicht für deine Verfassung. Innere Wunden brauchen ebenso Zeit und Ruhe um zu heilen wie äußere. Dies ist eine schwere Phase, aber sie wird vorbei gehen.
  • Nach einer belastenden Erfahrung: Geh an einen Ort, an dem du dich sicher und wohl fühlst. Versuche dich zu erholen und lass zu, dass sich Menschen um dich kümmern.
  • Bewegung baut Stress ab. Spazieren oder Laufen zur Beruhigung tut manchmal besser als sich hinzusetzen.
  • Versuche dich nicht zu isolieren. Wende dich an deine Freund*innen, denen du vertraust und sag, dass du Unterstützung brauchst.
  • Eine häufige Reaktion ist, dass es dir weh tut, wenn andere damit besser fertig zu werden scheinen als du. Mach dir bewusst, dass Menschen unterschiedlich reagieren.
  • Die Stärke der Reaktionen kann auch mit vorherigen Traumata und Belastungen zusammenhängen. Es ist kein Zeichen von Schwäche, nach einer Verletzung Schmerzen zu haben.
  • Dich für das Geschehene selbst verantwortlich zu machen, ist eine Reaktion, die mit einem Trauma oft einhergeht. Mach dir klar, dass das Geschehene nicht dein Fehler ist – die Schuld liegt bei den Täter*innen.
  • Familie und Freund*innen wissen oft nicht, wie sie mit dir gut umgehen können. Sprich Sie an, wenn du ihr Verhalten nicht als hilfreich empfindest, sage, was du brauchst.
  • Tees, z.B. Baldrian, können beruhigend wirken, genauso wie Massagen und heiße Bäder.
  • Versuche herauszufinden was dir gut tut. Alkohol bzw. Drogen können sich langfristig eher negativ auswirken.
  • Um deine Reaktionen besser zu verstehen, informiere dich über das Thema Trauma.

Wir wünschen uns, dass ihr ein paar Anregungen aus diesem Text mitnehmen könnt. Lasst uns gemeinsam den Mechanismen der kapitalistisch organisierten Gesellschaft, die wir ablehnen, den Boden entziehen!

Für ein solidarisches Miteinander!

Kontakt: outofaction.blackblogs.org

Zurzeit gibt es Out of Action-Gruppen in West (von Duisburg über Wuppertal bis Dortmund), Köln, Leipzig, Hamburg, Dresden, Berlin, Frankfurt/Main und München. Wenn es in deiner Stadt keine OoA-Gruppe gibt, kannst du dich per E-Mail an eine Gruppe in deiner Nähe wenden. Unsere PGP-Schlüssel findest du auf unserer Internetseite outofaction.blackblogs.org.

22. Rechtstipps

Hinweis: Andere Länder andere Gesetzte. Bei unseren Rechtstipps versuchen wir auf einige Punkte einzugehen, die bei Aktionen zu beachten sind. Dabei gilt aber, dass es sich ausschließlich um die Gesetzgebung innerhalb der BRD handelt und sogar hier verhält es sich von Bundesland zu Bundesland unterschiedlich. Wenn ihr in anderen Ländern Aktionen machen wollt, informiert euch am besten vor Ort.

Was muss mit zur Demo, zum Camp
Personalausweis, Autopapiere, unauffällige, bequeme Klamotten und feste Schuhe, Ersatzklamotten (Plastiktüte, falls eure Klamotten z.B. mit Pfefferspray voll sind), Regenzeug, Sonnenbrille, Basecap, Halstuch, Schreibzeug, Stadtplan, Landkarte, ggf. Kompass, regelmäßig benötigte Medikamente, Binden, Tampons, Verbandszeug, Augenspülflasche, Infotelefonnummer, Telefonkarte und Groschen, evtl. Handy (Akku raus!), Trinken und Essen, Schoki, Telefonnummer vom Ermittlungsausschuss (EA)

Was bleibt zu Hause
Kalender, persönliche Aufzeichnungen, Adressbücher, Schlüssel (Haustürschlüssel am besten bei Freund_innen deponieren), evtl. Handy, Drogen, Alkohol, Schmuck, Fettcreme, Schminke, Kontaktlinsen

In Stresssituationen
Ruhe bewahren! Ketten bilden! An Absprachen halten. Auf die Menschen aus deiner Bezugsgruppe und andere achten. Beruhigend auf Leute einwirken, die in Panik sind. Wenn Rückzug, dann ruhig und entschlossen! Wildes Durcheinanderlaufen und aufgelöste Ketten erleichtern Bullen Prügelorgien und Festnahmen.

Personenkontrolle
Sie dürfen dich anhalten, nach deinen Personalien fragen und deinen Ausweis verlangen. Frag nach dem Grund. Bei Beschlagnahmung von Gegenständen lass dir ein Verzeichnis geben. Unterschreibe nichts!!! Lass dich nicht auf einen Plausch ein! Alles, was du erzählst, kann später gegen dich oder andere verwendet werden.

Festnahme
Sorge dafür, dass Menschen deinen Vor- und Nachnamen und die Stadt erfahren, aus der du kommst, damit sie dem EA Bescheid sagen können. Lass dich nicht auf Gespräche mit den Bullen ein, auch wenn sie noch so nett erscheinen und du völlig fertig bist. Wenn du in der Wanne/Gefangenentransporter sitzt, sag nichts über die Aktion oder deine Zusammenhänge – es könnte ein Spitzel dabei sein oder eine_r könnte später darüber plappern. (Es geht hier nicht darum, ganz besonders cool zu sein. Ihr könnt natürlich über das Wetter oder eure Frisuren reden oder Leuten unter euch, die das alles das erste Mal erleben, erklären, was jetzt alles passiert…)

Auf der Wache/Gefangenensammelstelle (Gesa)
Nichts sagen! Außer: Name, Geburtsdatum, Meldeadresse, Staatsangehörigkeit und allgemeine Berufsbezeichnung (Schüler_in, Angestellte_r, Auszubildende_r) Falls sie dich nachrichtendienstlich (ED) behandeln wollen, Widerspruch einlegen. Du hast das Recht, zwei Telefongespräche zu führen, ruf den EA an und teile nur deinen Namen und deine Stadt mit und sag, was sie dir vorwerfen – weiter nichts!! Falls du verletzt bist, hast du das Recht, von einer Ärztin oder einem Arzt behandelt zu werden. Lass dir deine Verletzung attestieren.
Auf der Wache nichts unterschreiben. Protokolle geben lassen, aber nichts unterschreiben! Es ist dein Recht, nichts zu unterschreiben, auch wenn sie versuchen, dich unter Druck zu setzen und dir z.B. deinen Hausschlüssel nicht wiedergeben wollen.

Nach 48 Stunden sollten sie dich raus lassen oder dem/der Haftrichter*in vorführen. Hier brauchst du spätestens auch eine*n Anwält*in.

Wieder draußen
Sag dem EA Bescheid, dass du draußen bist. Schreibe ein Gedächtnisprotokoll (Glossar), schreib aber nichts auf, was dich oder andere belasten könnte! Dann kannst du tief durchatmen, einen Kaffee trinken und dich von deiner Bezugsgruppe verwöhnenlassen.

Weitere Infos:

  • „Wege durch die Wüste“ ist ein Buch, das sich ausführlich mit Repression und Ermittlungsverfahren usw. befasst – sehr empfehlenswert: edition assemblage, Münster, letzte Auflage von 2016, 9,80 €
  • Was tun wenn’s brennt – Demoratgeber der Roten Hilfe (als pdf bei http://www.rote-hilfe.de/publikationen/rechtshilfetipps )
  • Ermittlungsausschüsse und Rechtshilfe (Rote Hilfe / Bunte Hilfe) in vielen Städten und Regionen…

21. Großaktionen – Perso mitnehmen oder nicht?

Es gibt immer wieder friedliche Großgruppenaktionen oder Kampagnen, bei denen in den letzten Jahren versucht wurde die Identitätsfeststellung zu boykottieren. Das geht zum Beispiel durch nicht-mitnehmen des Persos, mit Sekundenkleber die Fingerabdrücke verkleistern, mit Farbe im Gesicht biometrische Daten verwirren… Diese Strategien wirken – wenn sie gelingen – nicht nur erfolgreich gegen die staatliche Repression, sondern auch gegen die zivilrechtliche. Privatunternehmen kamen in den letzten Jahren manchmal auf die merkwürdige Idee legitimen Protest mit Unterlassungsverpflichtungserklärungen zu unterbinden. Wessen Identität festgestellt wurde, kriegt ein solches Schreiben mit Androhung einer Zivilklage, die unter Umständen teuer werden kann5. Bei Massenaktionen kann darauf spekuliert werden, dass es nicht möglich ist alle Identitäten festzustellen und dass somit nur wenige mit Repression beschäftigt sind. Wichtig ist grundsätzlich mitzudenken, dass es Repression gibt. Die Strategie der Personalienverweigerung basiert darauf, dass es viele nicht, einige aber auf alle Fälle treffen wird (siehe Rechtstipps). Das bedeutet, dass diese Menschen danach Unterstützung und Solidarität brauchen. Und es bedeutet sich grundsätzlich auch selbst mit Repression auseinanderzusetzen und nicht der Illusion zu verfallen „auf einer friedlichen Massenaktion sind meine Bezugsgruppe und ich geschützt“6. Guckt euch den Beat der jeweiligen Veranstaltung an. Es ist wichtig sich vorher klarzumachen, wie weit ihr selber gehen möchtet. Habe ich gerade die psychische Stabilität, um im Zweifelsfall in der Gefangenensammelstelle zu übernachten? Was wollen die anderen? Will ich das auch? Wie weit will ich gehen? Wie positioniert ihr euch als Bezugsgruppe?

20. Smartphone und Co: Die Wanze immer mit dabei

Eigentlich wissen es alle: Moderne Handys sind mobile Abhöreinrichtungen mit Standortbestimmung und im Falle von nicht abgeklebter Kamera sogar mit Überwachungskamera. Trotzdem sieht mensch auf Demos und Aktionen massenhaft Handys. Dabei will doch niemand Strukturen oder Menschen gefährden, Datenschutz finden die meisten irre wichtig und dass Totalüberwachung in einer Gesellschaft extrem gefährlich ist, wissen auch alle. Trotzdem geben viele freiwillig ihre Daten ab, einfach weil die digitale Welt so praktisch ist. Über Twitter gibt es einen Live-Ticker, der zur jeweiligen Aktion die relevanten Informationen liefert. Die Orientierung auf dem Land und mit öffentlichen Verkehrsmitteln in der Stadt ist jederzeit möglich. Beweisfotos von Polizeigewalt sind mit dem Handy leicht gemacht. Jede*r kann Öffentlichkeit herstellen. Das Internet liefert zu jeder Zeit Antworten und wenn die Bezugsgruppe verlorengeht, telefonieren wir uns einfach wieder zusammen. Die Digitalisierung verändert die Gesellschaft und natürlich auch den Charakter von politischem Handeln. Datenveganer*innen, die auf die digitale Komfortzone bewusst verzichten, sind die modernen Kassandras.4 In dieser widersprüchlichen Situation wollen wir wenigstens einige Grundregeln vorschlagen, die für strafrechtlich nicht relevante Aktionen die absolut notwendigsten Verhaltensregeln sein sollten, aber für Aktionen, die strafrechtlich relevant sind, bei weitem nicht ausreichen (dafür z.B. Broschüre: Tipps und Tricks für Antifa).

  • Verwendet ein separates Aktionshandy, welches nicht euer Privatleben abbildet. Holt am besten ein gebrauchtes Gerät. Vielleicht genügt ja auch ein nicht internetfähiges Handy?
  • Besorgt euch eine vorangemeldete SIM Karte. Kleine Telefonläden machen das manchmal. Seit der Verabschiedung des Antiterrorgesetzes können SIM-Karten bei den großen Anbietern nur noch gegen Vorlage des Personalausweises erworben werden. Also kümmert euch rechtzeitig darum. In kleinen Telefonläden die gebrauchte Handys und auch SIM-Karten verkaufen, wurde Erfolg vermeldet.
  • Verschlüsselt das Aktionshandy. Es ist ganz einfach (sucht mal bei Einstellungen > Sicherheit > Telefon verschlüsseln). Schaltet das Handy während Aktionen ab, wenn ihr es nicht braucht.
  • Verwendet Openstreetmap statt Google Maps. Ladet im Vorfeld Karten herunter, so dass ihr im Zweifelsfall unabhängig von einer Internetverbindung seid. Verzichtet so weit wie möglich auf Google-Dienste. Sie sind verführerisch einfach und niemals kostenlos. Ihr bezahlt immer mit euren Daten.
  • Sprecht euch nicht mit Klarnamen über das Telefon an, sondern vereinbart einen Codenamen. Speichert die Nummern eurer Homies, die ihr meint, unbedingt auf der Aktion zu brauchen, ebenfalls mit einem Pseudonym ab. Fragt die Homies vorher, ob ihr die Nummer mitnehmen dürft. Sinnvollerweise ist es die Nummer eines anderen Aktionshandys.
  • Schaltet die Standortbestimmung über GPS aus. Denkt aber daran, dass sich die Handys trotzdem in Funkzellen einwählen. Über IMSI-Catcher können die Bullen den Standort von Telefonen bestimmen. Euer Telekommunikationsanbieter speichert die Daten des Handys. Moderne Handys sind selbst dann zu orten, wenn die SIM Karte entfernt ist und auch sonst keine Dienste laufen.
  • Klebt Handykameras ab. Wenn ihr die die Fotofunktion benutzt, dann gezielt und sorgsam, → siehe 18. …irgendwas mit Medien, und nicht für private Erinnerungsfotos.
  • Verlasst euch nicht auf das Handy. Es kann auch mal der Akku alle sein. Bei Massenaktionen sind schnell die Handynetze überlastet oder Funkzellen können auch abgeschaltet werden, so dass das Gerät nutzlos wird. Auf flachem Land gibt es manchmal keine oder nur schlechte Netzanbindung.
  • Auch eine sorgfältig abgeschottete SIM-Karte lässt mit zunehmender Benutzung Rückschlüsse auf Personen und Strukturen zu – durch die Informationen, die verknüpft werden. Handys wählen sich in Funkzellen ein und sind dadurch jederzeit den Aktionen zuzuordnen. Also öfters mal wechseln (oder Telefontauschbörsen einrichten 🙂
  • Im Zweifelsfall Handy und SIM-Karte trennen und beides entsorgen.

19. …irgendwas mit Medien

Sichtbar werden – Umgang mit Medien
Leider müssen wir es an dieser Stelle mal aussprechen: Die Linke Szene ist momentan so marginalisiert, dass wir gerade die Revolution nicht starten können. Also ihr achtsamen, wachsamen, am System verzweifelnden Menschen: Kommt zu uns und werdet aktiv. Wir brauchen euch. In der Linken findet ihr nicht die bessere Welt, aber hier gibt es die tollsten Menschen mit den besten Ideen und den gesellschaftlich relevanten Themen. Aber wie erfahren diese Menschen davon?

Gegenöffentlichkeit
Um die ganzen klugen Inhalte und kreativen Aktionen sichtbar zu machen, sind wir mehr denn je auf Gegenöffentlichkeit angewiesen. Wie immer müssen wir alles selber machen. Auch Öffentlichkeit herstellen. Bei der Gegenöffentlichkeit spielen die digitalen Medien heute eine wichtige Rolle. Sichtbar werden, wenn selbst friedlicher Protest kriminalisiert wird im Zeitalter der Überwachung? Die Schließung von Indymedia Linksunten hat deutlich gezeigt, dass die Medienarbeit ebenso kriminalisiert werden kann wie Aktionen. Wegen der Repression ist es sehr wichtig mit Daten äußerst vorsichtig umzugehen.
Jede*r, die*der sich im Netz bewegt, hinterlässt Spuren! Und diese Spuren bleiben für
immer!

Wenn ihr Artikel schreibt, bloggt, Fotos, Videos oder Radio macht, achtet darauf keine Personen zu gefährden. Seid besonders achtsam mit Foto- oder Videomaterial.
Gesichter dürfen auf Bildmaterial nicht identifizierbar sein. Fotos sollten keine Metadaten enthalten.1 Macht keine Aufnahmen aus Spaß fürs Familienalbum, sondern gezielt. Überlegt euch vorher, was ihr damit machen wollt und warum ihr was dokumentiert. Übertragt das Material bei allernächster Gelegenheit auf einen sicheren und verschlüsselten Datenträger.

Umgang mit Sozialen Netzwerken
Nichts ist privat in Sozialen Netzwerken. Soziale Netzwerke sind nicht sozial, aber eine gute Möglichkeit Öffentlichkeit herzustellen. Die 684 Facebook Freund*innen sind keine Freundschaften, sondern der Kreis potenziell interessierter Menschen für die Dinge, die ihr öffentlich sagen möchtet. Legt euch eine oder mehrere digitale Identitäten zu, die für sonst nichts anderes verwendet werden und keine Rückschlüsse auf die offline Identität zulassen. Schafft euren privaten Facebookkanal ab! Dieser ist nicht privat, sondern von Behörden einsehbar.
Und loggt euch immer wieder aus Facebook aus, wenn ihr fertig damit seid es zu nutzen, damit Facebook den Besuch anderer Seiten dem Facebook-Nutzerkonto nicht zuordnen kann. Denn sonst registriert Facebook jede Seite, auf der ein Facebook-Plugin eingebunden ist, und verknüpft sie mit eurem Account.

Verschlüsselung
Digitaler Austausch ist grundsätzlich praktisch, aber beachtet bitte: Diskussion nur unter Pseudonym auf sicheren Servern wie z.B. Riseup, Squat.net oder Nadir. Mails verschlüsseln2 (und die Schlüsseldatenbank irgendwo sichern3). Organisiert Kryptoworkshops, wo ihr euch gegenseitig zeigen könnt wie es funktioniert.
Gemeinsam macht es Spaß. Es darf auch nicht vergessen werden, dass Verschlüsselungen mitunter irgendwann geknackt werden können. Also überlegt immer: Muss das jetzt niedergeschrieben werden? Sobald eine Aktion strafrechtlich relevant ist, ist Offline-Kommunikation die richtige Wahl.

Los geht’s
Welches Medium wählt ihr aus welchen Gründen aus? Wen wollt ihr erreichen? Mit welchen Worten sprecht ihr die Personen an, für die ihr den Artikel schreibt? Soll es ein parolenbespicktes Flugblatt im Szenesprech sein oder ein Aufruf für Anwohner*innen eines von Gentrifizierung bedrohten Kiezes? Für die inhaltliche Gestaltung helfen die W-Fragen: Wer macht was wann wo und warum?

Kleine Auswahl verschiedener Medien
Hier gibt es Möglichkeiten eigene Beiträge zu veröffentlichen:


Webseiten: Indymedia, Squat.net, Inforiot (Brandenburg), Terminal (Dresden), Plotter (Köln), Stressfaktor (Berlin)
Freie Radios: Radio Corax, Radio Blau, Radio Dreyeckland, Freies Radio Berlin und viele Freie Radios, freie-radios.net
Filmprojekte: Labournet, Cine Rebelde, Leftvision, Freundeskreis Videoclips
Fotos: Umbruch Bildarchiv
Mailinglisten: Reflectliste
Print: Interim (Berlin), Rote Hilfe Zeitung, Zeck (Hamburg), Analyse&Kritik, Lotta (NRW), Swing (Frankfurt/Main)


Zu vielen Bereichen für linke Themen gibt es auch Broschüren mit Themenschwerpunkten wie z.B. Arranca, iz3w, Graswurzelrevolution, Ami, Fiber, Aufbruch, Datenschleuder, Veganinfo, Abolishing the Borders from Below, Anti-Atom-Aktuell etc.

Wenn es bei euch einen linken Buchladen, einen Infoladen oder ein linkes Café gibt, dann schaut da doch einfach mal vorbei. Vielleicht findet ihr dabei was passendes.
ein gut gemachtes Transpi oder beschriftete Regenschirme sind auch Medien

Pressegruppen
Bei großen Camps oder Aktionstagen bildet sich meist eine eigene Pressegruppe. Hier gibt es verschiedene Ausprägungen, zum Beispiel während der G8-Proteste 2007 folgte die Pressegruppe der Camps einem Konzept, welches personenfixiertes und intransparentes Pressesprecher*innengehabe verhindern sollte. Diese Pressegruppen sind also nicht das gleiche wie Pressesprecher*innen! Sie sind/fühlen sich nicht autorisiert, für andere zu sprechen, sondern wollen Kontakte herstellen. Sie vermittelten also eher zwischen „Mainstreammedien“ und den Aktivist*innen. Falls ihr mitmachen wollt oder falls ihr Kontakt zur „Mainstreampresse“ haben möchtet, wäre es sinnvoll sich an diese Pressegruppe zu wenden.

Mainstreammedien
Der Umgang mit kommerziellen Medien ist ein viel diskutiertes Thema. Wir sollten nicht davon ausgehen, dass sie das schreiben, was wirklich stattfand, wie an der Berichterstattung zum G20-Gipfel gut zu sehen war. Dennoch stellt sich die Frage, ob der entschlossene Ruf „Kameramann – Arschloch“ auf einer Demo als Umgang mit den bürgerlichen Medien ausreichend ist. Einen bewussten Umgang mit „Mainstreammedien“ zu finden, kann durchaus sinnvoll sein (auch wenn sich damit besser nicht der weit verbreitete Glaube verbinden sollte, die herrschenden Verhältnisse könnten dadurch verändert werden, dass „die Wahrheit“ in der Zeitung steht). Es ist vor allem wichtig, dass die Kritik an den herrschenden Verhältnissen sichtbar wird, dass wahrgenommen wird: Da gibt es Widerstand, Widerstand ist möglich! Um diese Botschaft zu transportieren, kann die „Mainstreampresse“ ganz nützlich sein.

18. Die Demosanigruppe rät…

Manchmal kann’s auch weh tun…
Wenn ihr als Bezugsgruppe auf eine Demo geht oder eine andere Aktion umsetzt, kann es passieren, dass ihr am Ende verletzt seid. Gründe dafür gibt es viele: Gewalt von Bullen, Nazis oder anderen Rassist*innen, von christlichen Fundamentalist*innen oder den Spießer*innen aus dem Haus nebenan, aber auch die eigene Unachtsamkeit oder die anderer Aktivist*innen kann dazu führen. Oft passiert das glücklicherweise nicht. Aber wenn, dann tut das weh und nervt. Also sprecht vorher in eurer Bezugsgruppe darüber, wie ihr damit umgeht, wenn wer beispielsweise von Pfefferspray getroffen wurde.

Auf Demos, Camps und bei anderen Aktionen gibt es oft Demosanis. Manchmal tragen diese rote Kleidung mit Reflexstreifen, ähnlich wie der klassische Rettungsdienst. Im Gegensatz dazu sind einige Sanis auch einfach so gekleidet wie ihr und fallen euch unter Umständen nicht sofort als solche auf. Versucht also am besten nicht nach Uniformen zu suchen, sondern ruft nach Sanis, wenn ihr Hilfe benötigt. Auch am Lauti kann euch bei Verletzungen oft weiter geholfen werden. Etwas Verbandszeug ist dort auf jeden Fall zu finden.

Grundsätzlich ist es aber besser, nicht auf Dritte – ob Sanis oder andere Aktivist*innen – angewiesen zu sein und sich selbst, aber auch anderen, helfen zu können. Sprecht doch mal bei euren Treffen darüber, wer was kann und den anderen von euch beibringen möchte, aber auch über bekannte Erkrankungen (z.B. Asthma) und was ihr in bestimmten Situationen braucht (z.B. „Ich hab mein Spray immer in der linken Hosentasche“). Dann könnt ihr auch gemeinsam überlegen, was ihr noch in euren Lieblings-Demojacken unterbringen könnt um euch, oder auch andere, bei Verletzungen unterstützen zu können. Alle Demosanigruppen bieten auch Workshops an. Wenn ihr nach eurem Austausch noch Fragen habt oder unsicher seid, meldet euch ruhig bei der Demosanigruppe eures Vertrauens. Wenn ihr keine kennt, kann der EA in eurer Stadt oder die Demosanivernetzung (a-s-k@riseup.net) oft einen Kontakt vermitteln.

Wenn ihr euch bei einer Aktion verletzt und Hilfe von anderen bekommt, solltet ihr auch hier nicht anfangen zu quatschen. Demosanis brauchen weder euren Namen, noch sonst irgendwelche Daten von euch. Sie müssen auch nicht „ganz genau“ wissen, was passiert ist, sondern nur, wodurch wo (an eurem Körper) eine Verletzung entstanden ist. Ihr entscheidet darüber, ob ein Rettungsdienst hinzugerufen wird oder ob ihr ins Krankenhaus geht. Oft reicht es aus, einen Tag später nochmal im Krankenhaus oder bei Ärzt*innen eures Vertrauens vorbeizuschauen. So können die Bullen dann auch nicht eure Daten aus Krankenhausakten holen und euch irgendetwas vorwerfen. Trotzdem solltet ihr Rettungsdienst oder Krankenhaus nutzen, wenn ihr das Gefühl habt, dass ihr dort notwendige Hilfe bekommt.

Wenn ihr blutet und die Verletzung versorgt wird, ist es sinnvoll, dass andere aus eurer Bezugsgruppe darauf achten, nichts zurück zu lassen. Auf dem Boden etwas Sand drüber verhindert schon, dass die Bullen mit dem Blut eine DNA-Analyse machen. Auch Kleidung, Stoff oder Verbandsmaterial sollten mitgenommen und ein paar Straßen weiter entsorgt werden. Solche Kleinigkeiten können dabei helfen im Nachhinein nicht noch mehr Stress zu bekommen.

Ihr solltet alle Verletzungen auch für den Rest der Aktion mit bedenken. Selbst wenn es im ersten Moment nicht wirklich weh tut, kann das später passieren. Sprecht das dann in eurer Bezugsgruppe an und fragt untereinander nochmal nach, ob sich was verändert hat. Nehmt euch immer mal wieder einen kurzen Moment, um auf euren Körper zu achten.

Auch bei eurer Nachbereitung sollte es Zeit geben über Gewalt zu reden, die ihr mit- oder abbekommen habt. Was haben andere in eurer Bezugsgruppe dann besonders gut gemacht, was wünscht ihr euch beim nächsten mal, was war doof? Wenn ihr darüber redet, könnt ihr euch dabei gemeinsam weiterentwickeln. Und der nächste gemeinsame Ausflug wird so vielleicht noch besser als die vergangenen.