Wir leben in einer Gesellschaft, in der die Trennung systematisch verfestigt und institutionalisiert wird. Das kapitalistische Kommando vereinzelt die Menschen, trennt sie von ihrem Arbeitsprodukt, bestimmt darüber, was produziert wird und wann für jede*n einzelne*n morgens der Wecker klingelt. Die rassistische und sexistische „Normalität“ trennt in deutsch und nicht-deutsch, in Mann und Frau. Es entsteht eine starre Welt, in der Menschen anhand von Zuschreibungen beurteilt werden, in der Menschen Identitäten haben wie Ohren und Nase, quasi „von Natur aus“. Alles, was sich dem nicht unterordnen will, wird dennoch vereinnahmt und in Kategorien gepresst – jedenfalls wird das versucht.
Im Gegensatz zu dieser starren Welt verweist linke Kritik auf die Möglichkeit, es anders zu machen, sie verweist auf die Möglichkeit, die Spielregeln nicht zu akzeptieren, den Spieltisch zu zertrümmern – theoretisch wie praktisch. Das bedeutet zum Beispiel, das neoliberale t.i.n.a-Prinzip – „there is no alternative – es gibt keine Alternative zum kapitalistischen Markt!“– als billigen Trick, den Sachzwang von Konkurrenz und Wettbewerb als schlechten Witz und die starre Welt von Identität und Trennung als konstruiert und vor allem als dumm und unmenschlich zurückzuweisen.
„Das ist erstmal Kopfrockerei, was bedeutet das denn konkret?“ könntet ihr jetzt fragen. „Wie kämpfen wir konkret gegen diese starre Welt von Herrschaft und Normierung?“ Die einzige sinnvolle Antwort, die (auch) uns als Autor*innenkollektiv darauf bisher einfiel, lautet: Wir nehmen unser Leben selbst in die Hand. Wir gestalten unsere Beziehungen untereinander anders, als es uns die gesellschaftliche Normalität nahe legt. Wir bekämpfen Kategorien wie „Geschlecht“ oder „Nation“, „Rasse“ oder „Klasse“. Wir entwickeln eigene Maßstäbe. Wir versuchen es zumindest. Das ist alles andere als einfach. Wir orientieren uns zum Beispiel nicht an der Maßgabe „Leistung“.Wir entwickeln einen eigenen Rhythmus, unsere eigene Zeit, Dinge zu tun: Flugblätter schreiben, frühstücken, Kampagnen aushecken, Aktionen vorbereiten, tanzen gehen etc. Wenn Diskussionen dabei manchmal ewig lange dauern, weil alle zu Wort kommen müssen, ist das nicht unproduktiv, sondern notwendig. Trotzdem bleibt das selbst bei diesem kleinen Beispiel ein ständiges Ringen, bleibt die gesellschaftliche Normalität ständig präsent: „Schnell abstimmen jetzt!“ heißt es dann. „Dieser Punkt ist doch nebensächlich, zum nächsten Punkt der Diskussion! Wir können auf XY jetzt keine Rücksicht nehmen…“
Dieser Prozess, die Diskussionen, in denen wir Beziehungen zueinander aushandeln, kann auch (neben der Tatsache, dass sie für Demos und Aktionen immer wieder ganz praktisch sind) der emanzipatorische Kern von Zusammenschlüssen sein, also von dem, was in dieser Broschüre Bezugsgruppe genannt wird. Einfach ausgedrückt, sind Bezugsgruppen ja das Resultat eines Prozesses, in dem Leute zusammenkommen, um die „Realität“ nicht zu akzeptieren; um gegen etwas aktiv zu werden – G20 Gipfel, Frontex, AfD, Kohleabbau, CO2-Emissionen, was auch immer. Letztlich landet mensch dann, ausgehend von der Empörung und der Kritik an einzelnen Schweinereien, wieder beim „großen Ganzen“, bei der starren Welt aus Kategorien wie Kapital, Staat, Geschlecht etc. Deren Überwindung, die Überwindung von Machtverhältnissen, kann aber nicht im „großen Sprung“ erfolgen. Sie kann nicht delegiert werden, auch nicht, wie wir immer wieder vor Augen geführt bekommen, an Parteien. In der Frage der gesellschaftlichen Befreiung gilt weiterhin: „Das müssen wir schon selber tun!“ Setzen wir der erstens dummen und zweitens falschen Annahme, die Geschichte sei zu Ende und jede ihres Glückes Schmied, ein munteres „Zusammen sind wir unausstehlich!“ entgegen.
Banden bilden. Das wäre ein guter Anfang.