Es kommt auch vor, dass ihr als Bezugsgruppe innerhalb eines größeren Aktionszusammenhangs Entscheidungen treffen müsst.
OK, ihr habt jetzt eure Bezugsgruppe aus, z.B. acht Leuten gebildet. Mit acht Leuten könnt ihr schon einigen Wirbel machen. Insgesamt kommt ihr dabei natürlich nicht weit, auch wenn das schon ein guter Anfang ist. Aber mit 1000 Leuten könnt ihr deutlich mehr wuppen. Aber wie funktioniert nun wieder eine Organisierung mit 1000 Leuten, zum Beispiel auf einem Camp, welches einen Wirtschafts-Gipfel verhindern will? Letztendlich stellt sich die Frage auch bei jeder AfD-Demo oder jeder versuchten Zwangsräumung, die uns auf die Straße treibt.
Im Idealfall sind alle anderen 992 Leute auch in Bezugsgruppen organisiert und es gibt verschiedene Unterstrukturen. Meist ist es so, dass die Bezugsgruppen vor oder während einer Aktion/Demo Delegierte aussenden (zum sog. Deli-Treffen), die alles Wichtige durchsprechen, klare Abbruchkriterien festlegen etc. und Fragen zurück in die Bezugsgruppen schicken, um auf diese Weise möglichst viele Menschen in Entscheidungen einzubinden. Bei sehr großen Veranstaltungen, bei einem Camp mit 5000 Leuten bspw., kann auch ein solches Deli zu groß sein, um sinnvoll zu diskutieren. In einem solchen Fall werden oft Strukturen zu kleineren Deli-Treffen zusammengefasst, es gibt dann sog. Barrios oder Finger in den Camps (Städte-Barrios oder Barrios, die eine Aktionsform oder einen politischen Background repräsentieren, z.B. Studi-Barrio, Queer Barrio, Landwirtschafts-Barrio → Glossar).
Wenn mehr als 50 Menschen einen Entscheidungsprozess gehen wollen, kann es
hilfreich sein auch in Zeichensprache miteinander zu kommunizieren. Es gibt eine von
Aktivist*innen entwickelte Zeichensprache, mit der Zustimmung, Ablehnung,
Redebedarf und noch einige Dinge mehr mittels Handzeichen mitgeteilt werden können.
Nötiges Vertrauen vs. Paranoia
Ihr werdet bei großen politischen Veranstaltungen, zum Beispiel bei einem Aktionscamp mit 1000 Leuten, nicht alle kennen. Trotzdem geht es darum, gemeinsam ein politisches Ziel zu erreichen – ihr wollt was zusammen, sonst wärt ihr nicht da. Das macht ja auch den Reiz von Aktionscamps oder auch großen Demos aus, zu spüren, da sind noch viele andere, wir sind nicht allein.
Stell dir nun vor, ihr habt im Internet von einer Aktion gehört, fahrt da hin und findet aber keinen Zugang, weil sich einzelne Gruppen oder Aktionszusammenhänge scheinbar abschotten. Der Grund dafür ist oft nicht klar formuliert, mensch fragt sich dann schnell, ob das jetzt die obercoolen Checker*innen mit den „richtigen“ Kontakten (oder den „coolen“ Klamotten) sind. Der Grund ist manchmal trivialer. Zusammenhänge, die sich schon länger kennen, machen Aktionen, die stärker kriminalisiert werden können, aus Schutz vor Verfolgung durch Polizei und Justiz lieber nur mit Leuten, die sich kennen. Lasst euch von dieser Klüngelei nicht abschrecken oder einschüchtern, sie richtet sich nicht gegen euch. Am besten überlegt ihr euch ja ohnehin vorher, was ihr machen wollt. Bei so einer Planung steht ihr selbst schnell vor der Frage, wie viel Vertrauen innerhalb der Gruppe nötig ist und was dagegen unnötige Paranoia ist und andere Mitstreiter*innen unnötig ausschließt. Kurz: Nicht naiv sein gegenüber den Bütteln des Staates, nicht paranoid gegenüber Genoss*innen!