9. Erfahrungsbericht: SAMBA! Rhythms of Resistance

Rhythms of Resistance oder kurz RoR ist ein Netzwerk politischer Trommelgruppen, die Demonstrationen oder direkte Aktionen unterstützen und durchführen. Die Idee, Musik als Aktionsform zu nutzen, ist keine neue: In den 1970er Jahren gründeten sich in Brasilien Afro-Block-Trommelgruppen. Diese entwickelten sich aus den ärmsten Stadtteilen und wurden zu einer Bewegung des Schwarzen Widerstandes und einer Quelle des Selbstvertrauens. Beeinflusst dadurch bildete sich in Europa ein Aktionskonzept bestehend aus Musik, Tänzen und dem Konzept der „taktischen Frivolität“, welches zum ersten Mal während des IWF/Weltbank-Gipfeltreffens 2000 in Prag effektiv angewendet wurde.

Taktische Frivolität zielt darauf ab, die künstliche Trennung zwischen militanten und kreativen Formen des Widerstandes zu überwinden. Sie bewegt sich in einem Raum, der zwischen Konfrontation, Deeskalation und kreativem Protest existiert. Sie meint schrille Farben (pink und silber), queeres Auftreten und kitschige Kostüme. So können klassische Zuschreibungen der Polizei irritiert und umgangen werden.

Musik und Tanz sind in dieser radikalen Neudefinition des Straßenprotestes ein Mittel, um polizeiliche Gewalt praktisch zu umgehen oder zu dekonstruieren und darüber hinaus Polizeikräfte gezielt zu nerven oder abzulenken. Außerdem hat RoR oft auch eine bestärkende Wirkung auf andere Bezugsgruppen und kann bei Bedarf motivierend oder deeskalierend wirken. Dies sollte möglichst nach Absprache mit den anderen geschehen, um sich nicht gegenseitig zu behindern oder zu nerven.

Obwohl RoR weltweit knapp 100 verschiedene Bands umfasst, die autonom funktionieren, wird eine maximale Beteiligung aller an Gruppen- und Entscheidungsprozessen angestrebt. Alle Bands spielen die gleichen Tunes (Melodien) und benutzen die gleichen Handzeichen zur Kommunikation. Dadurch können sich bei Aktionen verschiedene RoR-Bands sehr einfach zusammenschließen und direkt miteinander spielen oder agieren. Bei Bedarf können diese Gruppen sich spontan wieder aufteilen und als unabhängige Bezugsgruppen handeln.

Vor großen Aktionen ist es deshalb ratsam, kleinere Bezugsgruppen innerhalb einer Band zu bilden und „Buddys“ (permanente vertraute Bezugsperson) zu finden. Folgende Kriterien können dabei wichtig sein: Welche Aktionen kann ich mir vorstellen? Wo sind meine Grenzen? Wie hoch ist mein Risikolevel? Wie ist mein Gefühl in der Gruppe? Welche Wirkung will ich erzielen? Wie will ich im Kontakt mit der Polizei wahrgenommen werden? Sind in meiner Bezugsgruppe alle wichtigen Instrumente vertreten? Ist die Bezugsgruppe mobil?

Wir sind ein offenes Netzwerk für alle Menschen, die unsere emanzipatorischen Prinzipien teilen. Es geht uns nicht darum, die Rhythmen perfekt spielen zu können, sondern um die Energie, die wir transportieren wollen. Wir versuchen feste Rollen zu vermeiden, indem wir zum Beispiel möglichst alle Instrumente ein bisschen spielen können, sodass bei Bedarf gewechselt werden kann. Lass uns gemeinsam die Protest-Party auf die Straße und vor die Knäste tragen. Komm und mach mit, wir haben nichts zu verlieren!

Hier gibt es mehr Infos und Kontakte zu Bands in deiner Nähe: www.rhythms-of-resistance.org

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