Wie hier im Heft an mehreren Stellen erläutert wird, finden sich Bezugsgruppen sehr unterschiedlich und aus verschiedenen Gründen zusammen. Gerade auch bei temporär angelegten Bezugsgruppen kommt es vor, dass sich die einzelnen Personen aus dem Zusammenhang nicht so gut kennen und sich daher nicht immer richtig einschätzen können. (→ siehe Vorbereitung und Nachbereitung von Aktionen)
Dann gilt: umso weniger ihr euch kennt, umso mehr müsst ihr miteinander klären, auch um zu sehen, ob ihr als Gruppe überhaupt zusammen passt. Nur weil alle in der Gruppe das vermeintlich gleiche Ziel haben, z.B. für ein Camp gemeinsam kochen, heißt das noch lange nicht, dass es davon eine einheitliche Vorstellung gibt. Ohne klare Absprachen denken die einen vielleicht, dass so viel wie möglich containert und der Rest so billig wie möglich eingekauft werden sollte. Die nächsten gehen davon aus, dass mit den Höfen aus der Umgebung zusammen gearbeitet und möglichst saisonal und bio eingekauft werden müsste. Andere wollen nur Produkte aus solidarischer Ökonomie und im Zweifel auch von weit weg importiert besorgen.
Alle haben für ihre Ideen und Ansätze ihre berechtigten Gründe. Wichtig ist in so einem Fall eine ausreichende Vorbereitung, denn es braucht genug Zeit, um all die verschiedenen Herangehensweisen und Vorstellungen zu klären, damit es nicht zu großem Frust kommt. Aber leider mangelt es sehr oft an der Zeit dafür, denn wir haben noch verschiedene andere Politgruppen, Lohnarbeit, Kinder, Fernbeziehung oder was auch immer zu managen und können/wollen uns nicht ausschließlich um die eine Aktion kümmern. Innerhalb unserer Lebensrealität für genügend Vorbereitungszeit in Form von ausreichenden Treffen zu sorgen, ist daher oft nicht leicht. Bei den kurzen Absprachen ist es schwierig herauszufinden, inwieweit alle das gleiche wollen bzw. erwarten und die Hoffnung besteht oft, dass das schon alles laufen wird.
In euren ersten Treffen schien es vielleicht, als ob ihr gut zusammen arbeiten könntet. Doch während der Durchführung eurer Aktion stellt sich heraus, dass ihr bei wichtigen Themen unterschiedliche Grundsätze und Herangehensweisen habt.
Jetzt haben sich vielleicht schon einige Probleme, Missverständnisse, Kränkungen angehäuft und es kam auf verschiedenen Ebenen untereinander zu Unmutsbekundungen, da sich die einen vielleicht falsch verstanden, die anderen nicht ernst genommen oder ignoriert, vor allem sich in den Bedürfnissen und politischen Verständnissen zurückgesetzt fühlen. Eure Kochgruppe z.B. hat Dynamiken entwickelt, die dazu geführt haben, dass die einen überwiegend einkaufen gehen, andere im Hintergrund dafür sorgen, dass es eine Struktur gibt und die nächsten regelmäßig die Inspiration für das kommende Essen beisteuern. Das kann funktionieren, wenn die jeweilige Rolle für alle passt und im günstigsten Fall so auch kommuniziert wurde.
Doch es kann auch sein, dass die einen das Gefühl haben, dass sie das meiste machen müssen, da die durchaus wichtige Arbeit im Hintergrund nicht kommuniziert wird und das vorne an der Essensausgabe, wo eh viel zu viel zu tun ist, auch gar nicht wahrgenommen werden kann. Die nächsten wollten ihre Kreativität auch gerne an den Töpfen ausleben, waren aber bei der Artikulation nicht laut genug, um gehört zu werden (und beide Gruppen sind aufeinander sauer – die eine, weil sie das Gefühl hat, dass immer sie kochen muss, die anderen, weil sie meinen, nicht an die Töpfe zu dürfen) und das mit der Art des Einkaufens (so billig oder so öko wie möglich?) wurde auch nicht geklärt sondern einfach gemacht, wie die jeweilige Person sich das so dachte.
Das Ganze ergibt einen riesigen – scheint’s gordischen – Knoten, der aber nur im Notfall zerschlagen werden sollte. Wenn es derartig klemmt, ist es wichtig inne zu halten und zu versuchen, die Probleme, Missverständnisse und Verletzungen miteinander zu klären. Nun ist es in so einer Situation oft nicht möglich alles stehen und liegen zu lassen, um in aller Ruhe die Sachen auszudiskutieren und in der Regel gibt es auch nicht genügenden Abstand zu der Situation. Zum einen, um im Beispiel zu bleiben, muss das Essen auf den Tisch, zum anderen sind die Gemüter meist zu erhitzt, um angemessen über die Situation sprechen zu können. Wenn dies z.B. auf einem Camp passiert, sollte überlegt werden, ob sich an so einem Punkt eine andere Gruppe findet, die das Kochen (temporär) übernimmt. Oder in einer verfahrenen Situation kann es durchaus eine sinnvolle Option sein, dass die Gruppe sich hier (vielleicht auch nur tageweise) trennt. Denn: je länger dieser Zustand anhält, desto mehr wächst die Unzufriedenheit.
Hier sollte nicht falsches Durchhaltevermögen das Leitmotiv sein, sondern das solidarische Miteinander im Vordergrund stehen. Wir wollen schließlich nicht militärisch und leistungsorientiert durchziehen, was wir uns vorgenommen haben, denn wir streben eine politische Utopie an, gemeinsam eine emanzipatorische und solidarische Gesellschaft für alle aufzubauen und dabei muss unser zwischenmenschliches Miteinander im Vordergrund stehen. Daher kann auch davon ausgegangen werden, dass andere auf dem Camp – um bei dem Beispiel zu bleiben – Verständnis dafür haben, dass es notwendig sein kann, die Arbeit erst mal ruhen zu lassen, um wichtige Diskussionsprozesse anzuschieben und durchzustehen.
Es kann dabei auch herauskommen, dass es nicht mehr möglich ist, die gemeinsame Arbeit fortzuführen. Dann sollte eine Lösung gefunden werden, mit der alle leben können. Entweder kochen die einen weiter oder vielleicht auch keine*r. Es kann auch sein, dass sich die Gruppe dreiteilt und die eine immer an den M-Tagen und die andere an den D-Tagen kocht und die dritte am Wochenende oder wie auch immer. Es gibt viele Optionen – auch viele Optionen zu scheitern. Aber sie sollten allesamt solidarisch sein.
Ist die Aktion (auch wenn sie nicht gelungen ist) beendet, ist eine gute Nachbereitung mit allen wichtig. Ursprünglich waren alle mal mit einer (vermeintlich) gleichen Idee angetreten, doch gab es viele unterschiedliche Herangehensweisen der Umsetzung und unterschiedliche Prioritätensetzungen. Möglicherweise haben auch unterschiedliche Kommunikationsstile dazu geführt, dass eine gemeinsame Aktion nicht möglich war. Aber das ist auch nichts Schlimmes (→ siehe Leistungsdruck). Schließlich macht die Vielfalt der Geschmäcker unsere Stärke aus.


Konsens und Veto
Nachbereitung 1: direkt nach der Aktion, zurück im Camp, im Café oder wo auch sonst – in einer ruhigen Ecke. Mal treffen, um ein erstes Resümee zu ziehen, ein wenig zu reden, was so war und wie es einer*m gerade geht oder um einfach runter zu kommen und Pause zu machen!
Und so sind wir auch beim wichtigsten Werkzeug! Reden und Zuhören. Das klingt so schön banal, und irgendwie ist es das auch. Einige Gruppen fangen ihre Treffen mit einer „wie geht es mir gerade/Emo-Runde“ (→ Glossar) an. Das ist eine kurze Runde zum Stand der persönlichen Dinge. Dabei muss nicht jede*r was sagen, aber es kann auch ein Ort während des Treffens sein, um sagen zu können, warum wer von euch gute oder schlechte Laune hat, was ihr/ihm vom letzten Mal noch im Magen liegt oder was er/sie gerne einfach Allen mitteilen möchte. Danach könnt ihr vielleicht besser verstehen, warum XY in der Diskussion schnell gereizt ist oder auch alles total leicht sieht, da eh alles gerade bei XX gut läuft.
sionen, in denen wir Beziehungen zueinander aushandeln, kann auch (neben der Tatsache, dass sie für Demos und Aktionen immer wieder ganz praktisch sind) der emanzipatorische Kern von Zusammenschlüssen sein, also von dem, was in dieser Broschüre Bezugsgruppe genannt wird. Einfach ausgedrückt, sind Bezugsgruppen ja das Resultat eines Prozesses, in dem Leute zusammenkommen, um die „Realität“ nicht zu akzeptieren; um gegen etwas aktiv zu werden – G20 Gipfel, Frontex, AfD, Kohleabbau, CO2-Emissionen, was auch immer. Letztlich landet mensch dann, ausgehend von der Empörung und der Kritik an einzelnen Schweinereien, wieder beim „großen Ganzen“, bei der starren Welt aus Kategorien wie Kapital, Staat, Geschlecht etc. Deren Überwindung, die Überwindung von Machtverhältnissen, kann aber nicht im „großen Sprung“ erfolgen. Sie kann nicht delegiert werden, auch nicht, wie wir immer wieder vor Augen geführt bekommen, an Parteien. In der Frage der gesellschaftlichen Befreiung gilt weiterhin: „Das müssen wir schon selber tun!“ Setzen wir der erstens dummen und zweitens falschen Annahme, die Geschichte sei zu Ende und jede ihres Glückes Schmied, ein munteres „Zusammen sind wir unausstehlich!“ entgegen.
hen Formen der so genannten Globalisierung, gegen Krieg, Atomkraft und Atom-Mächte, gegen Militarismus und Militarisierung, gegen soziale, ökologische, sexistische Ausbeutung oder Ausgrenzung und gegen alle Rassismen. Es reiht sich damit in die Vielfalt kreativen Strassenprotestes ebenso ein wie in die Fülle von emanzipatorischen Ausdrucksformen des „Theaters der Unterdrückten“ nach Augusto Boal.
Netzwerkes politischer Trommelgruppen, die Demonstrationen oder direkte Aktionen unterstützen und veranstalten. Die Idee, Musik als Aktionsform zu nutzen, ist keine neue: In den 1970er Jahren gründeten sich in Brasilien Afro Block Trommelgruppen. Diese entwickelten sich aus den ärmsten Stadtteilen und wurden zu einer Bewegung des Widerstandes und einer Quelle des Selbstvertrauens, die von den aus dem Boden sprießenden Sambaschulen weltweit kommerzialisiert wurde. Diese Musik kombiniert mit TänzerInnen und dem Konzept der „tactical frivolity“ bildeten die Grundlage für ein Aktionskonzept, das während des IWF/ Weltbank-Gipfeltreffens 2000 in Prag zum ersten Mal große Anwendung fand: Pink & Silver.
(Glossar) an, einfach eine kurze Runde zum Stand der persönlichen Dinge. Es muss nicht jede_r was sagen, aber es kann auch ein Ort während des Treffens sein, um sagen zu können, warum mensch gute oder schlechte Laune hat, was ihr/ ihm vom letzten Mal noch im Magen liegt oder was mensch gerne einfach allen mitteilen möchte. Danach kann mensch vielleicht besser verstehen, warum xy in der Diskussion schnell gereizt ist oder auch alles total leicht sieht, da eh alles gerade bei xx gut läuft.
Thema ist sehr komplex und hat viele Seiten. Aber es ist gut, sich zumindest auf „Basics“ zu einigen wie: ausreden lassen und/oder bei kontroversen Diskussionen jede_n zu Wort kommen zu lassen. Auch stummes Kommentieren, z.B. immer nicken, wenn es einer passt, immer was in die Hand nehmen und lesen, wenn wer anders was sagt, sind Formen von dominieren und sich immer wieder den Raum nehmen und ihn damit den anderen wegnehmen.